#buchpassion – mein Beitrag

Man hat nur ein Leben?
Echt jetzt? Hm. Ich glaube, das stimmt nicht. Ich glaube nämlich, dass jeder von uns sehr viele sehr verschiedene Leben haben kann und das, ohne sich zu bewegen. Ohne wiedergeboren werden zu müssen, ohne das Haus/Bett/Sofa zu verlassen.

Man kann eine Königin sein, oder eine Wanderhure. Oder die Heldin einer Dystopie. Man kann Teil einer perfekten Happy-End-Liebeschnulze werden, oder die Hauptfigur eines Dramas. Man kann an einem Tag im Mittelalter sein und sich zwei Tage darauf im All befinden. Man kann auf Roadtrips gehen, sich verlieben, Länder entdecken und Abenteuer erleben. Jeden Tag. Immer wieder. Durch die Augen von anderen Menschen. Man kann mit offenen Augen träumen. Und wenn man ein Buch zuschlägt – oder in meinem Fall, das Hörbuch beendet hat – kann man sich kopfüber in die nächste Geschichte stürzen.

Ich habe vor Kurzem – bei mir kann das durchaus auch ein halbes Jahr oder länger bedeuten – eine Sendung gesehen, in der es um die Relevanz verschiedener Berufsgruppen ging. Einer der Teilnehmer – Typ: Wirtschaftsboss, graumeliertes Haar, teurer Anzug – sagte, dass kreative Berufe die „unnötigsten“ seien, weil viele davon nichts „generieren“. (Ich habe den Namen des Herren verdrängt, man möge es mir verzeihen.) Wenn man einmal von der Tatsache absieht, dass die Kreativbranche sehr wohl etwas generiert – nämlich Kunst, Geld, und Jobs, in denen viele leider viel zu wenig verdienen, aber das ist ein anderes Thema -, kam ich nicht umhin mich zu fragen, ob es wirklich nur um das Eine geht: Gewinne. Der Aussage des namenlosen graumelierten Herren folgte eine sehr kontroverse – und für mich als Schriftstellerin sehr spannende – Diskussion darüber, was warum wichtig ist.

Ich muss ein Geständnis machen: Ich fand meinen Beruf schon immer sehr seltsam – grandios und toll, aber eben auch seltsam. Ich sitze die meiste Zeit mutterseelenallein zu Hause, respektive im Café, und schreibe Geschichten. ich tauche ganz tief ein in die Gedanken von Figuren, die ich erst erfinde, und die mir dann plötzlich die Handlung aus der Hand nehmen und ganz eigenständige Entscheidungen treffen. Ich werde Teil einer Welt, die ich kreiere und die dann tut, was sie will. Ist das wichtig? Kann die Menschheit nicht ohne auskommen? Braucht das die Welt? Würde sie sich nicht auch weiterdrehen, wenn von einem Tag auf den anderen alle Geschichten enden würden? Vermutlich wäre sie farbloser und weniger fantastisch, aber das Leben würde weitergehen. Dann hätte jeder eben nur eines: sein eigenes. Dann wäre man halt keine Königin mehr, die einen Tag später von der Hauptermittlerin eines grausamen Mordfalls abgelöst wird.

Ich habe mich gefragt, was das mit mir machen würde. Wie es wäre, keine Geschichten mehr schreiben, keine mehr anhören, nicht mehr geistig reisen zu dürfen. Ich war schon kurz davor zu weinen, als dann ein anderer Teilnehmer der Sendung etwas sagte, das mich aufhorchen ließ: Nämlich, dass Menschen seit jeher den Impuls gehabt hätten, Geschichten zu erzählen. Dass sie schon Bilder in Höhlen hinterlassen und ums Feuer gesessen und von ihren Helden und deren Taten erzählt hätten, lange bevor sie schreiben konnten. Weil es ihnen ein Bedürfnis sei – etwas, das tief in ihrem Inneren genährt und gestillt werden wolle.

Bei mir stimmt es. Ich schreibe Romane, weil ich nicht anders kann. Weil ich die Welt durch andere Augen sehen will. Weil ich mich in den Gedanken anderer Menschen verlieren und wiederfinden möchte. Weil ich die Vorstellung liebe, so viele fremde Leute mitzureißen. Sie lesen alle dasselbe Buch, haben aber vollkommen unterschiedliche Bilder. Ich schwimme durch ein Meer aus Worten, das in meinem Kopf Welten baut und lasse mich entführen: aus dem Alltag, aus meinem Leben. Wenn ich mit einem fertig bin, kehre ich in meins zurück. Manchmal wehmütig, manchmal fast verkatert, manchmal einfach nur glücklich. Und dann widme ich mich neuen Geschichten, lebe andere Leben mit den Figuren in meinem Kopf.

Ich hoffe, ich kann mein Leben lang Bücher schreiben. Sie werden sich mit mir verändern und ich mich durch sie, es werden immer andere Figuren sein, und ihre Probleme werden mich herausfordern, wir werden zusammen reisen. Und leiden. Und uns freuen. Und uns verlieben. Und weinen.
Wenn ich es mir aussuchen kann, wird mein Leben immer voller Geschichten sein, und ich werde viele verschiedene Leben führen. Ich werde mein eigenes immer mal wieder unterbrechen und in andere eintauchen.

Man kann es auch kürzer sagen: Was auch passiert, meine #buchpassion wird bleiben.
Danke für die tolle Initiative, Kapri-ziös!